Es gibt sie, diese Fische, bei deren Anblick die Kinnlade der Gravitation Tribut zollt. Bilder, bei denen der stetig abwärtige Bewegungsfluss Mausrädchens abrupt stagniert, der Blick gefesselt wirkt.
Jeder von uns kennt diese Momente, verbunden mit dem innigen Wunsch, das abgebildete Tier einmal selbst in den Armen zu halten.
Ich gebe offen und ehrlich zu, meist vollzieht sich oben beschriebenes Prozedere in meinem Kopf beim Anblick besonders großer Fische. Ich kann mich dem nicht entziehen. „Big is beautiful“, jedenfalls für mich…. Schande über mein Haupt!
Aber hin und wieder bestätigen Ausnahmen die oben beschriebene Regel und meine Blicke verfangen sich in der Schönheit einzelner Tiere. Ich erinnere mich noch gut an einen solchen Moment vor einigen Jahren. Auslöser war ein Bild eines Fullys aus einem meiner Vereinsgewässer. Ich hatte diesen Fisch bereits zuvor einmal auf einem Foto im Vereinsheim gesehen. Der mit überdimensionalen Schuppen übersäte Spiegler war damals wohl kaum schwerer als 2 kg. Nunmehr war er deutlich abgewachsen, keine Riese, aber eine Schönheit. Nach einigen Gesprächen und Recherchen machte es den Eindruck, als seien die beiden genannten Bilder Dokumentation seiner bisher einzigen Landgänge. Das eine Mal fiel er einem Madenbündel an der Matchrute, das andere Mal einem kleinen Pop-up am Chod-Rig zum Opfer. Die daraus zu mutmaßenden Freßgewohnheiten des Fisches ließen ein gezieltes Befischen schwierig erscheinen. Mit einem standardmäßig aufgezogenen Boilieplatz, so schien es, sollte ein Zusammentreffen mit dieser Schönheit wohl ein schwieriges Unterfangen werden.
Wer jetzt die Geschichte einer Zielfischjagd in feinster englischer Manier mit Polbrille und Baumkletterei, alternativen Ködern und Tunnelblick, an dessen Ende der ruhmreiche, das Ego schmeichelnde Fang eines als Zielfisch No. 1 deklarierten Flossenträgers steht erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Unverhofft kommt vielmehr oft….
Ich schob meinen Trolley im letzten Licht der dämmernden Sonne eines schönen Spätsommertages über den engen, dornenflankierten Torfweg gen des von mir anvisierten Platzes. Um genau zu sein waren es zwei Plätze. Der eine Platz stand bereits seit zwei Wochen ordentlich unter Beschuss und hatte mir am vergangenen Wochenende bereits einige schöne Fische beschert.
Den anderen Platz, eine der wenigen krautfreien Stellen vor einem sich ca. 25m vom Ufer entfernt erhebenden Plateaus, hatte ich lediglich einmal, im Rahmen meiner letzten Fütterung vor 2 Wochen, mit ein paar ordentlichen Händen der sich damals noch in der Testphase befindlichen CalaFrutti bedacht. Ich wollte diesen außergewöhnlichen Ködern, welche mir Christian in der Woche zuvor erstmals in die Hand gedrückt hatte, eine unverfälschte Chance geben, mein Vertrauen zu gewinnen. Dem entsprechend flog die mit einem Schneemann oben genannter Range bestückte Montage wenig später auf den kleinen Sandfleck inmitten des Krautes. Ihr folgten zwei ordentliche der Hände orangig-fischigen Kugeln….
Am nächsten Morgen, die Sonne war gerade hinter den Gipfeln der den Horizont säumenden Baumreihen hervorgekrochen, stand ich, die krumme Rute in der Hand haltend, in der Wathose stehend bis zum Bauchnabel im Wasser. Schon während der Nacht hatten zwei Fische eine Schwäche für den Protos gezeigt.
Als der Fisch das erste Mal an der Oberfläche schlug, machte sich ein klein wenig Enttäuschung breit. Die Größe der sich mir zeigenden Schwanzflosse ließ auf ein eher halbstarkes Exemplar schließen. Jaja, ich hör schon die Stimmen, wie gesagt, Schande über mein Haupt!
Von der Morgensonne geblendet, zog ich den Fisch letztendlich in den bereitliegenden Kescher. In einem der leichten Enttäuschung über die Fischgröße entgegenwirkenden Gedanken, schoß mir auf einmal das anfangs benannte Bild des Fullys wieder in den Kopf. In all den Jahren, in denen ich dieses Gewässer befische, hatte ich noch niemals während eines Drills darüber nachgedacht, dass gerade diese Schönheit am Haken hängen könnte. Umso kurioser war dann der Moment, in welchem das Sonnenlicht bei dem alsbald folgenden Blick in den Kescher von großen goldenen Schuppen reflektiert wurde….Er war mein….
Ganz ohne Zielfischjagd, auf einen herkömmlichen Schneemann… War es tatsächlich die ungewöhnliche Kombination aus Squid und feinstem Orangenöl, die ausschlaggebend waren? Oder sollte ich einfach einmal Glück gehabt haben? Who knows, well I don´t care!
Beste Grüße
Simon Grolig