„Nicht so vieles Federlesen!
Laß mich immer nur herein;
Denn ich bin ein Mensch gewesen,
Und das heißt ein Kämpfer sein.“ – J.W. von Goethe
Andreas, mein Angelkollege, sagte mir ich solle doch bei meinem Blogeintrag über Zahnseide schreiben. Denn das käme meinem Erlebnis am nächsten. Doch immer der Reihe nach.
Alles begann mit einem Zeitfenster von zwei Tagen, welches sich durch einen glücklich gestalteten Stundenplan an der Uni ergab. Die Sonne schien und draußen wirkte es so, als ob der Frühling seine ersten Boten losschickte um uns einen Motivationsschub zu verpassen. Ich schleppte mein komprimiertes Tackle durch das schmale Stiegenhaus ins Auto und merkte, dass drei Schichten Gewand heute wohl zu viel des Guten waren. Am Wasser angekommen, wollte ich erst gar nicht mit dem Aufbauen beginnen und genoss erstmal die Sonne. Ich machte es mir auf dem Steg gemütlich und beobachtete das Wasser. Unglaublich viel Kraut war am Gewässerboden aufzufinden.
Die milden Temperaturen ließen es heuer nicht zu, eine bedrückende Eisdecke entstehen zu lassen. Somit wurde das Kraut nie wirklich in seine Schranken gewiesen und konnte die Wucherung dort fortsetzen, wo sie im Herbst aufgehört hatte. Wenn überhaupt. Nachdem ich mein kleines Schlauchboot aufgepumpt hatte, ging es auf Erkundungstour. Ich ließ mich von den Wellen über die Krautbänke treiben und versuchte den einen oder anderen Flossenträger zu erspähen. Doch das Wasser schien wie tot zu sein. Nicht ein Fisch ließ sich blicken. Doch immerhin fand ich einige krautfreie stellen, welche ich spärlich anfütterte. Oft lässt man sich bei den ersten Frühlingsstrahlen dazu verleiten Unmengen an Futter zu versenken, obwohl unter der Oberfläche meist noch Winter herrscht.
Zurück am Ufer stieß auch Andreas dazu, welcher die kommenden zwei Nächte mit mir angeln sollte. Die Sonne verzog sich langsam und mit ihr auch die Wärme. Innerhalb kürzester Zeit fiel das Thermometer um einige Grade. Der Power Stove ging seiner Arbeit nach und zauberte uns ein feines Menü, als sich ein Bissanzeiger zu Wort meldete. Ein Vollrun wie aus dem Bilderbuche, ließ mich den Hunger schnell vergessen. Ich nahm die Rute auf und baute Kontakt zum Fisch auf. „Fu** er steckt im Kraut“, waren meine Worte bevor Andreas mir den Kescher ins Schlauchboot legte. Das ist Teamwork! Ich pumpte mich zum Fisch und der Wind tat sein Übriges um Strecke zu machen. Doch plötzlich blockierte meine Rolle. Ein schneller Blick ließ im Schein der Stirnlampe erkennen, dass wohl einige Schnurwindungen von der Rolle gesprungen waren, welche Kurbelumdrehungen unmöglich machten. Wie konnte das nur passieren? Und das beim ersten Run des Jahres an meinem Hausgewässer. Ich versuchte Ruhe zu bewahren und das Schnurchaos zu lösen.
Doch die Wellen ließen mich immer näher zum Fisch treiben, welcher noch immer im dichten Kraut steckte. Kurz bevor ich über dem Fisch war, entschied ich mich dazu den Fisch direkt an der Leine auszudrillen. Ich legte die Rute aus der Hand und zog so viel Schnur wie möglich von der Rolle. Gleichzeitig versuchte ich mit der anderen Hand Spannung aufzubauen. Das gelang mir relativ gut, doch der Wind trug mich über den Fisch und die Distanz zu meinem Gegenüber wurde immer weiter. Um ein Ausschlitzen zu vermeiden, musste ich gegen die Wellen Rudern. Doch irgendwie musste ich auch die Spannung zum Fisch beibehalten. Kurzerhand entschloss ich mich dazu, die 0,40er Mono in den Mund zu nehmen, um sie so irgendwie festzuhalten. So hatte ich kurz Zeit um zwei Ruderschläge zu machen. Danach nahm ich die Schnur wieder in die Hände und regulierte die Spannung. Nach einigen anstrengenden Minuten befreite sich der Fisch selbst und zog im Mittelwasser übers Kraut. Natürlich geschah das genau in dem Augenblick, als die Mono zwischen meinen Lippen verweilte. Das Material schnitt sich in meine Mundwinkel und ein Schmerz schoss durch meinen Körper. Wenigstens war der Fisch nun frei und ich konnte ihn per Hand weiterdrillen. Das Licht von Andreas´ Stirnlampe war schon ziemlich weit entfernt und das Wasser schwappte bei jeder stärkeren Bewegung über den dünnen Schlauch des Bootes. Nach über 20 Minuten konnte ich den Fisch schlussendlich über den Kescher führen. Doch der anstrengendste Part stand noch bevor. Ich musste einige hundert Meter zurückrudern. Der Fisch außen im Kescher und das gegen den Wind. Komplett nass und erledigt kam ich nach einer gefühlten Ewigkeit am Ufer an. Erst dann wurden mir die Ausmaße des Fisches richtig bewusst. Ich war überwältigt! Nachdem wir den Fisch schonend zurücksetzten, scherzte Andreas, dass ich froh sein solle. Das bisschen Schnur im Mund sei das allemal wert gewesen. Schließlich würde ich ja auch Zahnseide verwenden…
Doch er hatte Recht. Es zahlte sich aus! No Fight, no Glory!
Cheers, Johannes