„thanks for the memories“
Wir haben Ende Juli, irgendwo im tiefsten Südfrankreich, hoch oben in den Bergen sitzen 2 unrasierte, chaotisch wirkende Männer mit einem alten Straßenatlas in einem Restaurant und beratschlagen wie es weiter gehen soll. Seit 2 Tagen sind wir wieder „on road“ und begutachten die verschiedenen Gewässer der Region. Es ist ein ständiges auf und ab und das nicht nur auf den schmalen Bergstraßen, sondern auch in einem selbst. Wir haben traumhafte Gewässer gesehen, jedes mal stieg der Pegel der Glückshormone rasant an, fiel aber eben auch genau so schnell, wenn wir erkennen mussten, das die Begebenheiten zu dieser Zeit kein Angeln zuließen. Was machen wir nun? Wohin fahren wir?
Für mich begann schon vor dem Trip in den Süden eine seltsame Zeit, anglerisch war ich erfolgreich unterwegs, ich konnte gute und schöne Fische fangen, nicht viele aber dafür einige besondere Exemplare. Privat allerdings lief alles aus dem Ruder, der Druck des Jobs nagte schon längere Zeit an mir und hatte seine Spuren hinterlassen, kreisrunder Haarausfall und Magenprobleme plagten mich immer wieder, ich fühlte mich völlig ausgebrannt und brachte keine Leistung mehr.
Hinzu kam noch, das das Fundament meiner Beziehung zu bröckeln begann, aus einer glücklichen Zweisamkeit war eine gefühlte Wohngemeinschaft entstanden. Ich musste raus, das stand fest, weg von Emails, Kunden, Zahlendruck und weg von meiner Frau. Vielleicht würde es uns gut tun, wenn wir uns eine Zeit nicht sehen würden. Die Idee im Sommer eine Tour zu machen, schlummerte schon lange Zeit in meinem Kopf und vom Teamtreffen wusste ich, das Nils zur selben Zeit durch den Süden tourte, er wollte sich neue Gewässer angucken. Mich hielt nichts mehr zuhause und so stand für mich fest, ich würde Nils hinterherreisen.
Fast 2 Wochen Fischen liegen bereits hinter uns, für mich eine Zeit, die ich mit Worten schwer beschreiben kann, ich bin so beeindruckt von der Umgebung, von den Gewässern und von diesem „Leben“ was wir führen. Ich bin völlig entspannt und das einzige Problem, welche uns plagt, war die Wahl eines Gewässers. Nils blättert immer wieder durch die Seiten seines Atlasses, erzählt mir Geschichten zu einigen blauen Flecken auf den Seiten, aber findet gerade keine wirkliche Zufriedenheit. Mitten in der schönsten Umgebung welche ich je gesehen habe, sitzen wir und grinsen uns verzweifelt an, wohin fahren wir denn nun? Klagen auf höchstem Niveau bei der Anzahl der schönen Gewässer in unserer Nähe und das wissen wir auch.
2 Stunden später steht es für uns fest, wir haben ein Ziel und ich sitze mit einem riesen Grinsen hinter dem Lenkrad meines Autos, genieße den Duft der Red Spice Fish, welcher bei offenem Fenster immer wieder aus dem Kofferraum zu mir nach vorne strömt. Ich hole mein Handy aus dem Tiefschlaf und rufe bei meinen Eltern an, Lagebericht und ein Zeichen das der „kleine Junge“ noch lebt. Man bleibt immer Kind, egal wie alt und meine Mutter verabschiedet sich mit den Worten, erfülle dir deinen Kindheitstraum, viel Spaß und pass gut auf dich auf!
Kindheitstraum? Ja, irgendwie ist es das, immerhin schwärme ich seit meinem 15. Lebensjahr davon, habe es aber aus vielen Gründen nie reallisiert bekommen. Ich wollte immer eimal an seinem Ufer stehen, seine Magie spüren und ihn einmal mit eigenen Augen sehen. Ich bin in den 90ern zum Karpfenangeln gekommen, die Zeiten wo die Vorbilder noch Kevin Maddocks oder Jim Gibbinson hießen und ER für mich anfing seine Geschichten zu erzählen. Unser Ziel für die letzten Tage der Tour war der Lac de St. Cassien! Heute ist es durch Kommerz und andere Dinge cool geworden am Cassien zu angeln, es ist ein“must have“ diesen See zu „rocken“ und gerade junge Angler folgen diesem Trend. Ich scheiss auf coolness und es interessiert mich nicht im geringsten, ich möchte an diesem See sein, um ein Bild zu haben, ein Bild zu den vielen Geschichten aus alten Tagen. Ich möchte sehen wo das Foto von Klaus Brix in den 90ern entstand, die Brücke im Hintergrund und eine echte Dampfwalze im Arm. Ich möchte die Magie der alten Angler spüren und vielleicht meine eigene kleine Geschichte auf meiner Festplatte bannen, auch wenn ich weiß, das es lange nicht mehr so ist, wie es dort einmal war. Ich bin so aufgeregt und die 3 stündige Fahrt dauert eine gefühlte Ewigkeit.
Die ersten Schilder mit dem Wegweiser zum See haben wir schon passiert und mein Navi sagt mir, das Er bereits neben mir liegt, verdeckt von einem saftigen Grün. Ich schaue immer wieder nach links und versuche etwas Wasser zu entdecken und als wir über eine kleine Brücke fahren ist es soweit, ich sehe einen Teil vom Südarm. Wahnsinn! Kurze Zeit später haben wir einen staubigen, sandigen Parkplatz erreicht, wir steigen aus und ich kann über den Südarm blicken. Dieses Wasser, dazu das Grün der Bäume, Vollstau wie mir Nils erklärt und er erzählt weiter, zeigt auf Landzugen und Buchten, erzählt mir die Namen der Stellen. Ich bin froh das er dabei ist, er kennt diesen See, er kennt die Geschichten und sicher hat er den ein oder anderen Tip für mich. Der Südarm ist frei und kein Angler ist in Sicht, in diesem Jahr gelten strenge Regeln und wir beschließen weiterzufahren, Informationen einzuholen und dann die Boote zu beladen.
Den Platz hat Nils schon ausgesucht, es soll der kleine Schilderplatz werden aber vorher will er mir das Ende vom Südarm zeigen und er lächelt als wir später die Boote beladen haben und ich auf meiner, von ihm liebevoll getauften „Queen Marry 2“ sitze.Ein extra breites Zeepter Big Catch 320 ohne Motor, voll beladen mit Futter und es herrschte Wind! Gegenwind!
Die ganze Zeit am Cassien lässt sich nicht in Worten beschreiben und ich würde warscheinlich jede Kleinigkeit niederschreiben, da diese für mich doch so besonders war, einfach ein Teil meiner eigenen Geschichte. Doch 2 besondere Momente werde ich nicht vergessen, das verschwinden von Queen Marry2 und ein Wallerdrill mit Überraschung! Dazu bald mehr…
Lieben Gruß Tammo