Lass dich treiben

Mit einem leisen Rauschen stoße ich mich ab, der feste Boden unter meinen Füßen verschwindet, ich treibe!

Während ich mir mit beiden Händen den Weg durch den dichten Krautbewuchs am Ufer bahne, wird der dünne Neo langsam aber sicher mit kühlem Nass geflutet.

Noch ein paar Flossenschläge und ich passiere das Krautfeld, blicke hinunter. Schwebeteilchen reflektieren das eindringende Sonnenlicht, als wollten sie mir allzu tiefgehende Blicke verwehren, die Geheimnisse des Sees wahren.

Das dumpfe Rauschen auf den Ohren lasse ich mich treiben, tauche ab in eine andere Welt, vergesse alles um mich herum. Der Rush-Hour Verkehr, in dem ich noch vor zwanzig Minuten meine Nerven zu verlieren drohte, ist plötzlich meilenweit entfernt.

Ein Stück Freiheit mitten im Alltagstrubel!

Meine Augen versuchen angestrengt Grundkontakt zu halten, auf der Suche nach blanken Plätzen im dichten Krautdschungel tauche bei jedem Verdacht hinunter, lasse mich, von ruhigen Flossenschlägen getrieben, über den Krautspitzen entlang gleiten. Sekunden vergehen wie in Zeitlupe und ich sauge die Eindrücke in mich auf. Viel zu schnell gibt mir mein Körper zu verstehen, dass ich in dieser Welt nicht zuhause bin, meine Lungen ringen nach Luft und treiben mich unhaltsam wieder an die Oberfläche. Als ich diese durchbreche, füllen sie sich mit Luft und sättigen mein Blut erneut mit Sauerstoff.

Durchblick... Find`em, Feed`em, Catch´em
Durchblick… Find`em, Feed`em, Catch´em

Am Anstieg eines Plateaus weicht das verschwommene Nichts beim Blick nach unten wieder klaren Konturen. Ich kann an der Oberfläche treibend die sandig ansteigende Kante genau unter die Lupe nehmen. Plötzlich nehme ich im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Mein Sichtfeld nach links ist beschränkt. Bedacht vorsichtig drehe ich mich und sehe das, wonach ich gesucht habe.

Am Fuße des Plateaus, genau da, wo der kahle Sandboden noch mit leichtem Kraut bewachsen ist, steht ein dicker Spiegler, mit den Brustflossen wedelnd einige Zentimeter über dem Boden und rüsselt. Unbeeindruckt von mir als Eindringling in seine Welt, in Seelenruhe, gemächlich und bedacht, trennt er Fressbares von Steinen.

Ich atme ruhig und langsam. Die Wellen, die vom Auffrischen des Windes vorangetrieben werden, plätschern über meine Schultern.

Noch einige Zeit liege ich dort, wie ein Stück Treibholz an der Oberfläche, den Blick nach unten gerichtet.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis der Fisch langsam abdreht und in seinem Dschungel verschwindet.

Meine Hand greift nach dem zugezippten Falteimer über meiner Schulter. Zwei, drei Atemzüge und ich tauche ab. Mit leichten Floßenschlägen die Kante hinauf, immer darauf bedacht, das mir zur Verfügung stehende Futter gleichmäßig zu verteilen.

Bevor ich ans Ufer zurückschwimme stelle ich noch kurz den kleinen Marker, der sich Ärmel des Neos befindet in das hochgewachsene Kraut und der Spitze des Plateus.

Keine zehn Minuten später liegt die Montage genau dort, wo der dicke Spiegler eben noch so fleißig rüsselte. Mit einem letzten prüfenden Blick tauche ich über die Montage hinweg. Das Blei ist tief im lehmigen Grund vergraben, die dicke Schlagschnur ins Kraut gedrückt und neben den hellbraunen Fischknickern und Tigers am Grund leuchtet ein oranger Popup.

DCIM100GOPRO

Eine Stunde später sitze ich am kleinen Alugrill, trocken und die Hoddiekapuze auf den noch nassen Haaren, wohl wissend, dass der Spiegler zurückkehrt. Möge es ihm genauso schmecken wie mir….

Und wie es ihm schmeckte....
Und wie es ihm schmeckte….
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