Kanalangeln

In Nordfrankreich wimmelt es von kleinen, unscheinbaren Kanälen mit viel Potenzial auf außergewöhnliche Fische und in der ersten Jahreshälfte 2019 nahm ich einen dieser Kanäle in der Region Grand Est genauer unter die Lupe. Der kleine, schmale Verbindungskanal, der hauptsächlich von kleineren Ausflugsbooten genutzt wird, weist kaum Struktur auf. Es gibt weder Krautfelder, Seerosen noch sonstiges. Eigentlich ziemlich kahl und unbeeindruckend. Trotzdem gefällt es mir hier irgendwie und ich vermute, dass gute Fische hier ihre Bahnen ziehen. Ob ich recht behalten soll? Lest weiter!

Meine erste Session startete ich mit einem Freund bereits Anfang März für ein Wochenende. Nicht unbedingt die vielversprechendste Zeit, um an einem neuen Gewässer anzugreifen. Über Google Maps machten wir uns mit der Lage vertraut und suchten nach potenziellen Plätzen. Nach kurzer Suche wurden wir auch schon fündig. Wir entschieden uns, die erste Nacht an einem kleinen Hafenbecken zu angeln. Wir kamen erst im Dunkeln an und verteilten unsere Ruten strategisch an verschiedensten Stellen an den Spundwänden, im Freiwasser und natürlich auch im Hafenbecken selber. Ich setzte auf kleine Scoberry Wafter mit einem VNX-Plus Stickmix und verteilte jeweils eine Hand halbierter Boilies pro Rute. Als die Ruten lagen und alles aufgebaut war, fuhr mein Kumpel noch mal los, schaute sich ein Schleusenstück ein paar Minuten mit dem Auto von uns entfernt an und fütterte ganz sparsam großflächig einige Boilies, um für den nächsten Tag eine alternative Ausweichmöglichkeit zu haben. Natürlich schwiegen die Bissanzeiger über Nacht, und so machten wir uns am nächsten Tag auf zur besagten Schleuse. Der Platz bot viele Möglichkeiten, seine Ruten strategisch zu verteilen. Wir angelten vor und zwischen festliegenden Booten, unter einer kleinen Brücke, an den Spundwänden und natürlich an der Schleuse selber. Aber auch hier herrschte absolute Stille! Nichtsdestotrotz konnten wir uns schon mal einen ersten Überblick schaffen und waren für weitere Sessions schon besser über die Örtlichkeiten informiert.

Nur kurze Zeit später machte ich mich für eine spontane Nacht erneut auf ins gelobte Land und visierte noch einmal die Schleuse an, in der Hoffnung, dass die Fische mittlerweile an unserem Futter vorbeigekommen waren und dort eventuell geblieben sind. Fehlanzeige- aber noch kein Grund, aufzugeben. Immerhin war es noch sehr kalt und sogar mein Schlafsack war am frühen Morgen gefroren.

Für die nächste Zeit kehrte ich dem Kanal den Rücken und wartete auf wärmere Zeiten und das war nach etwa einem Monat der Fall. Wieder alleine machte ich mich auf den Weg ins relativ nahegelegene Nachbarsland. Ich peilte zum wiederholten Male die Schleuse an. Irgendwie hat es mir der Platz angetan. Ich angelte „nur“ mit zwei Ruten: eine an der Schleuse und die andere zwischen zwei Booten. Ich konnte deutlich mehr Fischaktivität in Form von Raubfischen und flüchtenden Weißfischen beobachten und die gesamte Flora und Fauna hatte sich deutlich nach oben entwickelt. Ich schlief wie meistens unter freiem Himmel und genoss einen wunderschönen Sonnenuntergang- leider ohne Fisch. Am nächsten Morgen meldete sich einer meiner Bissanzeiger mit ein paar Piepern. Ich rechnete mit einer Brasse und auch nach dem Aufnehmen der Rute bezweifelte ich meine Vermutung keineswegs. Erst kurz vorm Ufer spürte ich einen etwas stärken Widerstand und es kam tatsächlich ein kleiner Spiegelkarpfen zum Vorschein. Schnell landete ich ihn und die Freude war riesig. Der erste Fisch aus einem neuen Gewässer ist immer wieder etwas ganz Besonderes, vor allem nach so einer langen Zeit! Nachdem der Fisch versorgt war, meldete sich tatsächlich auch noch mein anderer Delkim und zwar in einem Dauerton! Ich sprintete zur Rute und nach einem nervenzerreißenden Drill landete ich einen deutlich größeren Spiegler. Ich schätzte sein Gewicht auf rund 12 Kilogramm. Was für ein genialer Morgen! Nachdem ich auch diesen Fisch versorgt hatte, packte ich ein und fuhr mit einem Grinsen zurück nachhause und ließ alles Erlebte Revue passieren. Einfach nur geil!

Es vergingen wieder einige Wochen und ich fuhr gemeinsam mit einem anderen guten Freund erneut an die Erfolgsstelle. Wir hatten drei Tage Zeit, um zum Erfolg zu kommen. Klingt eigentlich nach einer machbaren Aufgabe. Dachten wir zumindest! Es war irre heiß und das spürten wohl auch die Fische. Ob sie eventuell auch gerade mit dem Laichen beschäftigt waren? Gesehen hatten wir zumindest nichts. Das Glück war auf jedem Fall nicht auf unserer Seite. Nach Unterhaltungen mit anderen Karpfenanglern und der Guarde de Peche wurde lange nichts mehr gefangen und so ging es uns auch. Wir wechselten mehrmals die Stelle und gaben wirklich alles, aber es sollte in drei Tagen nicht mehr beißen als eine einzige Brasse. Aber Spaß es trotzdem gemacht! Auch das stalken mit Schwimmbrot an einem nahegelegenen See brachte uns leider nicht den gewünschten Erfolg.

Kurze Zeit später startete ich gemeinsam mit meinem Vater noch einen Versuch, aber mit ganz anderer Taktik. Wir angelten auf offener Strecke mitten im Wald und deckten mit vier Ruten einen Bereich von Rund 300 Metern ab. Den gesamten Bereich fütterte ich mit Mais und einem Mix aus VNX und Scoberry Boilies. Ich angelte mit zwei Ruten an der gegenüberliegenden Spundwand und mit den zwei weiteren Ruten auf der eigenen Seite, ebenfalls ufernah. Meiner Vermutung nach und auch den Aussagen der ansässigen Karpfenangler ziehen die Fische genau hier entlang, um nach Futter zu suchen. Den Abend und die Nacht über ging nichts. Doch am nächsten, noch sehr frühen Morgen fing ich neben einer Brasse an meiner Uferseite tatsächlich einen Karpfen und zwar ein richtig alten, urigen Spiegler auf ein Scoberry Pop- Up, präsentiert am Chod Rig an der gegenüberliegenden Spundwand! Einfach nur großartig! Ich setzte also meine Taktik fort und fütterte noch einmal einige Kilos an Futter. Aber neben zwei weiteren Brassen sollte einfach nichts mehr gehen. Nichtsdestotrotz fuhren wir am nächsten Morgen voller Stolz zurück und ich freue mich schon jetzt auf viele weitere Trips an diesem unscheinbaren Gewässer, welches immer für eine Überraschung gut ist…!

Tight Lines! Niklas Kühnel

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