Interview Wintertaktik – Stellenwahl

Vor kurzem entdeckten wir auf dem Instagram Kanal von unserem Mitarbeiter Tammo Schiller eine kurze Videoreihe über seine letzte Session des Jahres 2021 und fanden die angesprochenen Themen der Location bzw. Platzwahl, den Aufbau des Futters und die verwendeten Rigs und Hakenköder so interessant, dass wir da nochmal nachhaken wollen. Gerade jetzt, in der kalten Jahreszeit tun sich noch immer viele Angler schwer damit, die richtige Platzwahl zu treffen, das Futter der Situation anzupassen und dann auch noch möglichst effizient den Platz zu befischen und da ist Tammos Herangehensweise sicherlich kein Patentrezept zum Fisch, aber sie beinhaltet einige Informationen, die wir als „grundsätzlich richtig“ ansehen und mit denen wir euch etwas an die Hand geben wollen.

Max Ingenhaag ist selber begeisterter Kaltwasserangler

Max Ingenhaag, der selber gerne in der kalten Jahreszeit am Wasser ist, hat Tammo zu dem Thema nochmal genau befragt. Wer also spontan und instant in der nächsten Zeit ans Wasser will, hier ein paar gute Ansätze dazu:

Part1 – die Stellenwahl

Max Ingenhaag: Jo Tammo, erstmal vielen Dank, dass du dir vor dem Jahreswechsel nochmal eben die Zeit nimmst, damit wir beide uns über deine Herangehensweise in der aktuellen Jahreszeit unterhalten können. Deine 3 Videos auf Instagram beinhalten ja eine Menge an Informationen, die aber nicht für jeden zugänglich sind, da nicht jeder dort einen Account hat. Erst einmal vorab, was sind die Hintergründe der kurzen Clips?

Tammo Schiller: Hey Max, ja gerne doch, ich habe gerade etwas Zeit, daher passt es mir ganz gut. Ich freue mich immer, wenn ich Informationen weitergeben kann die Anderen vielleicht dazu verhelfen ihre Fische zu fangen. Grundsätzlich möchte ich erst einmal dazu sagen, es gibt nicht die eine Vorgehensweise beim Angeln und bei allen Informationen, die man da draußen bekommt, sollte man diese immer mit seiner eigenen, persönlichen Angelei im Kopf abgleichen. Mein Ziel, wenn ich solche kurzen Videos mache, meine Angelei und meine Gedanken öffentlich zeige, ist lediglich um jemanden zum Nachdenken anzuregen. Es zeigt nur wie ich es mache und ist keine Anleitung zum Kopieren! Wenn aber jemand nur 2, 3 Informationen aus dem Inhalt für seine Vorgehensweise sinnvoll findet und daraus resultierend einen Fisch fängt, dann ist es das was ich möchte.

M: Alles klar, also ist es keine Anleitung wie etwas umgesetzt werden soll, sondern eher eine Sammlung von eigenen Erfahrungen, die dir in deinen Situationen zum Erfolg verholfen haben?

T: Naja, auch nicht immer zum Erfolg verholfen haben! Du kannst gerade jetzt in der kalten Jahreszeit theoretisch zu 100% alles richtig machen und trotzdem fängst du nichts, weil vielleicht das ausgewählte Zeitfenster nicht mit der Aktivität der Fische zusammenpasst. Mir ist wichtig, dass ich für mich sagen kann, ich habe alles mir mögliche getan und ein klein wenig Glück gehört halt auch noch dazu.

Ein frostiger Morgen mit wunderschönem Licht – Das ist der Winter

M: Kommen wir zum Inhalt des ersten Videos, da geht es um die Auswahl der Stelle oder des Spods und da hast du ein paar Punkte angesprochen, die dir sehr wichtig sind. Welche sind das genau?

T: Ja, das ist richtig. Es gibt für mich 3 Faktoren, die ich wenn es möglich ist berücksichtige. Das sind vermeintliche Rückzugsgebiete der Fische, also Holding Areas, das ist die Gewässertiefe und dann ist es noch die Grundbeschaffenheit.

M: Was sind genau Holding Areas und was ist da für dich entscheidend?

T: Ich meine damit überhängende Bäume, Totholz im Wasser, alte Krautfelder, alles das was dem Fisch ein Gefühl von Sicherheit gibt. Fische lieben es, in der kalten Jahreszeit ein Rückzugsgebiet mit einem Dach über dem Kopf zu haben, oder sich in alten Krautresten abzulegen. Ich glaube der Schutz und die Ruhe stehen hier an erster Stelle. Ganz wichtig ist natürlich, dass sich diese Bereiche auch in einer Wassertiefe befinden, die ich als Wohlfühlzone betiteln würde. Im Dezember bei knapp über Null Grad in einem alten Seerosenfeld in der Flachwasserzone eines sonst 10 Meter tiefen Sees sein Glück zu versuchen, erscheint mir in den allermeisten Fällen als sinnlos. Wenn ich im selben Gewässer aber an einer steilen Uferkante, Büsche über dem Wasser habe und dort bereits 5 Meter Wassertiefe vorfinde, dann ist das exakt der Bereich, den ich beangeln würde.

M: Also verschmelzen deine vorher genannten 3 Faktoren quasi miteinander bei der Platzwahl?

T: Ja, oft ist das so bzw. versuche ich wenn möglich, das zumindest 2 der 3 Faktoren zu meiner Zufriedenheit sind, achte dabei aber stark auf die Gewässertiefe. Keine Frage, es gibt Gewässer und Situationen, da findet man die Fische im Winter in den flacheren Bereichen, aber ich gehe hier und jetzt mal von einer Standardsituation aus bzw. erzähle ich ja in dem Video von meiner Situation an dem Gewässer.

M: Kurze Zwischenfrage, wie ist das Gewässer aufgebaut, an dem du dich da befindest?

T: Es ist ein Baggersee, recht strukturarm, mit 2 zum Ufer parallel verlaufenden Kanten, Zehn Meter tief und 2 Flachwasserzonen. Keine Holding Areas in dem Sinne, also kein Totholz im Wasser, zwar überhängende Bäume aber mit nur 1 Meter Wassertiefe darunter. Also nichts spektakuläres.

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M: Gut, also Punkt 1 sind die Holding Areas, die du ja in dem von dir befischten Gewässer nun nicht hast bzw. welche sich nicht für die kalte Jahreszeit anbieten. Wie gehst du dann vor?

T: Dann konzentriere ich mich auf die Tiefen des Gewässers und schaue mir die Kanten an. Gerade im Spätherbst oder Frühwinter richte ich mich da zumindest mit einer Rute immer daran, dass ich diese im unteren Drittel der Gewässergesamttiefe anbiete. Ist ein See also fünfzehn Meter tief, schaue ich mir den Bereich von zehn bis zwölf Metern einmal genau an. Hier in meinem Fall ist es so, dass ich wie schon erwähnt, eine Tiefe von zehn Metern im See habe und die Ufer so verlaufen, dass die erste Kante auf 6 bzw. 6,5 Meter abfällt. Dort habe ich eine Art Stufe in der konstanten Tiefe, bis die zweite Kante abfällt und ihr Fuß sich bei ca. 8 Metern befindet.

M: Was hat es mit dem unteren Drittel der Gesamtgewässertiefe auf sich?

T: Gerade im Spätherbst oder auch im Winter wird ein Gewässer stark von den Umgebungseinflüssen gelenkt, kalter Wind, Frost, dann wieder milde Tage, das alles lässt die oberen Wasserschichten gerne „Fahrstuhl“ fahren. Also die Temperaturen der oberen Wasserschichten bieten oft keine Konstante, was für die wechselwarmen Fische bedeutet, das jedes Mal eine Anpassung nötig ist, die mit Stress und Energieverbrauch verbunden ist. Wärmere Temperaturen stellen da nicht das Problem da, es ist das erwärmen und spätere abkühlen, die sogenannten Fahrstuhltemperaturen. Die Wohlfühlzone der Fische ist mit einer möglichst konstanten Temperatur also erst ab einer bestimmten Tiefe realisierbar und genau dort suche ich die Fische dann auch.

M: Also richtest du dich dann komplett nach der Tiefe?

T: Nein, nicht nur. Dann versuche ich noch zusätzlich den 3. Faktor zu berücksichtigen, die Untergrundbeschaffenheit. Interessant sind für mich jetzt weiche Böden, also kein Schlamm, sondern weiches Sediment oder Lehm, also Böden, welche auch noch natürliche Nahrung produzieren können. Meine Erfahrung der ganzen Jahre hat mir gezeigt, dass die Fische diese Bereiche aufsuchen oder sich dort zumindest in der Nähe befinden, um Nahrung aufzunehmen. Die Fische haben auch im Winter aktive Zeiten, also Phasen in welchen sie sich bewegen und Nahrung zu sich nehmen. Wenn ich also in einem Bereich meinen Köder präsentiere, in welchem die Fische Nahrung finden, bin ich grundsätzlich schon einmal im richtigen Areal unterwegs.

Wichtige Hilfsmittel zum herausfinden der Tiefe, der Bodenbeschaffenheit und zum Wiederfinden der Stelle – Marker und Sticks

M: Wie hast du das herausgefunden?

T: Ganz klassisch mit der Lotrute. Einmal kräftig ausgeholt in Richtung Seemitte und absinken lassen. Wichtig ist eine geflochtene Schnur, diese überträgt die Bodenbeschaffenheit perfekt auf die Rute. Wenn ich das Blei nun heranziehe und einen starken Widerstand spüre, also viel Druck brauche und sonst keine sichtbaren oder spürbaren Aktionen in der Rute habe, bin ich im Schlamm. Das spürt man auch ganz gut. Irgendwann wird der Widerstand weniger, das Gefühl in der Rute ändert sich, es ist als würde man das Blei durch weiche Butter ziehen. Das ist der weiche, evtl. produktive Untergrund. In meinem Fall beginnt dann das ruckeln in der Rutenspitze beim weiteren heranziehen und plötzlich wird der Wiederstand in der zitternden Rutenspitze wieder stärker. Es geht die Kante rauf. Alle interessanten Stellen übertrage ich auf die Distance Sticks, so finde ich diese auch im Dunkeln wieder.

M: Alles klar, also Faktor 1 sind die Holding Areas, Faktor 2 ist die Tiefe und dann noch Faktor 3, die Bodenbeschaffenheit. Wo hast du jetzt in deinem konkreten Beispiel, in deiner Situation also die Ruten abgelegt und wieso?

T: Ich habe hier bei mir 3 Ruten zur Verfügung, das macht es mir einfacher, auch Dinge auszuprobieren. Wie schon gesagt, es sind keine Holding Areas vorhanden, also probiere ich verschiedene Tiefen und Vorgehensweisen. Ich hatte ja die erste Kante auf 6,5 Meter angesprochen, die mit der kleinen „Stufe“ bis es weiter runter geht. Der Untergrund ist hier kiesig, steinig, also nicht wirklich so spannend. Trotzdem könnte diese Stufe entlang der Kante zumindest eine Zugroute der Fische sein und mit 6,5 Metern Tiefe durchaus interessant. Dort platziere ich also eine Rute! Die anderen beiden kommen an den Fuß der 2. Kante, der Bereich in 8 Metern mit dem weichen Sediment. Hier setzte ich bewusst 2 Ruten ein, da es für mich aktuell die interessanteste Area ist und nutze hier 2 verschiedene Präsentationen.

Hier werden die Ruten verteilt, der Fuß der 2. Kante scheint am interessantesten

M: Alles klar, das waren schon viele Informationen zum Thema Platz bzw. Stellenwahl und auf die verschiedenen Präsentationen gehen wir im nächsten Part noch ein. Hast du abschließend noch was hinzuzufügen?

T: Wie immer gilt, auch im Spätherbst oder Winter gibt es keine Regeln. Es werden zu bestimmten Zeiten auch Fische in 1 Meter Wassertiefe gefangen. Für mich ist das aber eher die Ausnahme und lässt sich oft auf das Gewässer oder die zu dem Zeitpunkt herrschenden Wetterbedingungen zurückführen. Meine Vorgehensweise ist nicht der Stein der Weisen, es sind Erfahrungen, welche ich gesammelt habe und aus denen ich versuche Rückschlüsse zu ziehen. Bisher bin ich damit sehr gut gefahren, wie aber Eingangs bereits gesagt, es ist etwas zum Nachdenken, nicht zum blinden Kopieren.

Kleiner Spiegler aus einer Session Ende Dezember – Es müssen nicht immer die Großen sein

Im 2. Teil wird es um die Zusammenstellung des verwendeten Futters gehen, Attraktiv statt Selektiv lautet hier die Vorgehensweise. Wer sich gerne einmal die kurzen Videos zum Vorgehen von Tammo ansehen möchte, der findet diese auf seinem Instagram Account: https://www.instagram.com/tammo_schiller/

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