Die Diva war gnädig

Endlich war mein lang ersehnter Urlaub gekommen und ich nahm mir vor direkt zu Beginn zwei Nächte an meiner Hass-Liebe zu verbringen. Kein Gewässer ist so typisch für meine Heimat, das Ruhrgebiet, wie der Kanal. Zwischen „Stahl und Beton“ wie er schon oft beschrieben wurde, kann dieses Gewässer eine wahre Diva sein. Doch wenn man diese Wasserstraßen verstanden hat, kann man dort echte Schätze ergattern und nebenbei wahre Ruhrpott-Romantik erleben.

Ruhrpott Romatik

Mein Plan für die folgenden zwei Nächte stand recht schnell, ich befischte ein recht kurzes Teilstück mit vielen Häfen und einem guten Bestand an Karpfen. Ich konnte in den Tagen zuvor bei meiner Location schon einige Fische lokalisieren und wusste somit rasch wo ich zu fischen hatte. Auf langes Vorfüttern verzichtete ich, da ich mich erst wenige Tage zuvor auf einen Spot festlegte. Ich bereitete lediglich zwei Mal mit je 3 Kg Seafood vor, die ich entlang der Fahrtkante und am eigenen Uferbereich fütterte. Mit dem Gewissen, dass ich gutes Futter in Reichweite von Karpfen platziert hatte ging es für mich früh morgens ans Wasser. Die Wettervorhersagen konnten eigentlich nicht besser sein, prophezeit wurde „Herbstwetter“. Ideal für mein Vorhaben in den folgenden 48 Std. In Anbetracht auf das, was an diesem Tage noch vom Himmel fallen sollte, richtete ich schnell mein Camp ein und machte meine drei Horizons startklar. Ich platzierte meine Montagen gestaffelt vom eigenen Ufer bis hin zur Fahrtkante, bestückt mit Seafood und Vnx+ Boilies und Wafter. Die Ruten waren nun im Rennen und es zeigten sich die ersten Fische. Doch auch der Wettergott hatte was zu bieten, es stellte sich Dauerregen ein. Perfekt für das Fressverhalten meines Zielfisches und die Erholungsphase die ich doch nötig hatte.

Die Fallen sind scharf! Kleine farbige Highlights und Wafter sollen es richten!

Doch lange konnte ich mich nicht erholen…mich riss die Rute am eigene Ufer mit dem VNX+ Wafter mit einem Fallbiss von der Liege. Nach einer elend langen „Leerlaufphase“ bekam ich endlich Kontakt zum Fisch. Nach ein paar wilden Fluchten konnte ich einen kanaltypischen Spiegler von 13 Kilo sicher einnetzen. Der Anfang war gemacht, die Fische schienen am Platz zu sein. Aber der Kanal wurde nicht umsonst Anfangs von mir als Diva bezeichnet. Es passierte nichts mehr, den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch schwiegen meine Microns beharrlich. Enttäuscht über den Verlauf der Nacht, machte ich mich morgens an die Zubereitung eines deftigen Rühreis. In der Zwischenzeit bemerkte ich vermehrte Fischaktivität auf der anderen Kanalseite. Die Karpfen zeigten sich dort kontinuierlich im Bereich eines Anlegeplatzes. Da musste eine Montage hin! Gesagt, getan. Schnell das 140 Gramm strömungsresistente Blei gegen ein 90 Gramm Weitwurfblei getauscht und fix wurde der Seafood Wafter die ca. 80 m zum Anleger rüber geschnackt.

Der Anfang war gemacht
Jetzt erst mal ein deftiges Frühstück
Urban Flair

Ein Nachteil war jetzt die Schifffahrt. Ich musste/wollte die Rute bei jedem ankommenden Schiff einholen, da ich in der Vergangenheit mit dem Absenken der Schnur einfach schon zu viele schlechte Erfahrungen gemacht habe und zu viel Material dabei drauf ging. Und tatsächlich dauert es keine Stunde bis ich zum erstem Mal im Drill stand. „Jetzt bitte alles, nur kein Schiff…“ ging mir durch den Kopf und ich hatte Glück. Auch diesmal war wieder ein Spiegelkarpfen auf den Wafter reingefallen, ein Fisch derselben Kategorie wie sein Vorgänger vom Vortag. Der Fisch war schnell abgelichtet und die Rute lag mit einem frischen Seafood Wafter wieder am selben Platz. Nach ein paar Schiffen, die dann doch noch passierten, war es etwas länger ruhig. Es zeigten sich jetzt auch keine Fische mehr am Anleger. Doch plötzlich ertönte ein einzelner Ton aus der Funkbox und die Rute war wieder Krumm. Mit dem ständigen Blick nach Links und Rechts in Ausschau nach ankommenden Schiffen drillte ich erneut einen Spiegler in die Maschen meines Keschers. Diesmal mit einem Fisch von 17,5 Kilogramm einer der „besseren“ Güte. Die Entscheidung den unbequemen Weg zu nehmen und auf der anderen Seite zu Fischen erwies sich hier eindeutig als richtig.

Einer „der besseren“ Kanalfische

Inzwischen war es Abend und der Wind blies unerlässlich stark in meine Richtung, an den See der Welt würde dies auf reichlich Aktion hoffen lassen doch hier am Kanal hatte ich noch keine ähnlichen Erfahrungen machen können, dass die Windrichtung sich auf das Fressverhalten von Karpfen auswirkt. Dennoch hatte ich ein sehr vielversprechendes Gefühl für die kommende Nacht. Vor Einbruch der Dunkelheit wechselte ich nochmals die Baits und legte noch einige Hände Futter nach. Und mein Bauchgefühl war richtig. Gegen Mitternacht ratterte zum vierten Mal meine Rolle los. Gibt es etwas Schöneres als aus dem Tiefschlaf gerissen, drillend am Ufer zu stehen und nicht genau zu wissen wo man überhaupt ist? Für mich jedenfalls nicht! Endlich wieder bei Sinnen, kescherte ich dann letztendlich Spiegler Nummer Vier. Die Schuppis schienen sich irgendwie woanders aufzuhalten in diesen Tagen. Ich war mir sicher, das war noch nicht alles.

Zufriedenheit!
Wer die Wasserstraßen versteht, kann echte Schätze bergen!
Der nächste Spiegler

Gegen sechs Uhr meldete sich mein Micron dann zum fünften und letzten Mal in der Session. Ein Run vom feinsten, ohne irgendeine Vorankündigung, voll durchgelaufen. Adrenalin pur…an der Rute angekommen musste ich dem kleinen Kämpfer einiges entgegensetzten, doch auch diesen Halbstarken konnte ich sicher landen. Welche Art Karpfen dann dort vor mir lag, brauche ich jetzt sicher nicht erwähnen…na klar ein Spiegler…Was sonst?


Die Diva war gnädig zu mir in diesen 48 Stunden! Ich hoffe, das war der Auftakt zu meinem goldenen Herbst.
In diesem Sinne, Tight Lines!
Chris Unbereit

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