Das Reiseziel
Schon lange hatte ich den Plan für einen längeren Zeitraum in den französischen Alpen zu angeln. Bisher waren sie für mich immer nur ein Zwischenstopp auf dem Weg in südlichere Gebiete Frankreichs aber nun wollte ich mich drei Wochen lang vollkommen auf diese Region konzentrieren. Während ich bisher immer mit Freunden nach Frankreich gefahren bin, sollte es dieses mal ganz alleine losgehen. So bin ich freier, muss bei meinen Entscheidungen auf niemanden Rücksicht nehmen und fische deutlich effektiver. Dass ich bei diesem Trip aber für die erste Zeit gar nicht alleine sein würde, sollte sich noch zeigen.
Der See
Die Region ist neben großen Naturseen für ihre zahlreichen kleinen und unscheinbaren Baggerseen bekannt und genau auf diese habe ich es abgesehen. Trotz der großen Auswahl hat es mir ein bestimmtes Gewässer besonders angetan und stand bei dieser Tour voll in meinem Fokus. Natürlich hatte ich ein paar Ausweichgewässer im Hinterkopf, sollte beispielsweise zu viel los sein. Im Grunde wollte ich aber eigentlich nur an diesen einen besonderen See.
Plan B
Die Sonne ging gerade unter als ich nach zehnstündiger Fahrt an meinem Zielgewässer ankam. Drei Freunde von mir, Marc, Hendrik und Marcel, saßen dort bereits seit einigen Tagen und es lief sehr schleppend. Bis auf ein paar kleinen Fische wurde nichts gefangen. Darüber hinaus waren noch einige andere Angler dort, welche die restlichen Stellen des kleinen Sees besetzten. Für mich stand fest: Hier lohnt es sich fürs Erste nicht. Ich sah die Situation positiv und beschloss vorab ein anderes Gewässer in direkter Nähe zu befischen. Dort wollte ich erst mal bleiben, bis sich die Lage verbessert hat.
Guter Start
Der alternative See den ich mir für die nächsten Tage ausgesuchte befischte ich 2015 zum ersten Mal und wusste deswegen, dass er zwar hauptsächlich kleine Fische beherbergt, dafür aber sehr viele. Wenn man es richtig anstellt sind dort richtige Serien an Karpfen möglich. Und genau darauf hatte ich zu Beginn der Reise richtig Bock, für schwierigere Gewässer mit großen Fische hatte ich nachher noch genug Zeit. Am diesem See war zum Glück kaum was los und es lief tatsächlich wie ich es mir vorstellte. Bereits am ersten Tag fing ich über zehn Fische, darunter mein bisher größten von dort.
Der Roadtrip
Da es nach zwei Tagen an meinem Zielgewässer immer noch nicht lief, packten meine Kumpels ein und kamen mich besuchen. Gemeinsam beschlossen wir ein paar Tage gemeinsam irgendwo zu verbringen. Wann sind wir vier schon mal gleichzeitig in der selben Region Frankreichs unterwegs? Da bieten sich ein paar gesellige Abende an! Da sich der See an dem ich gerade saß nicht wirklich für unser Vorhaben eignete machten wir uns zusammen auf die Suche nach einem geeigneten Ort. Insgesamt befischten wir in den folgenden fünf Tagen drei Gewässer und hatten eine coole Zeit. Neben einigen kleineren Karpfen fing ich dabei eine beeindruckende Seeforelle!
Weiter alleine
Nachdem ich mich von den Jungs verabschiedet habe ging es für mich die restlichen zwei Wochen alleine weiter. Noch am selben Abend stand ich wieder an den Ufern meines Zielgewässers und die Lage hat sich endlich verbessert. Es waren kaum noch Angler da und auch das Wetter sah richtig fängig aus. Da ich recht spät dort ankam und nur Tagangeln erlaubt ist, habe ich beschlossen die Ruten an diesem Tag nicht mehr auszulegen. Um ein bisschen Ausschau nach Fischen zu halten war es aber noch früh genug, also schnappte ich mir meinen Stuhl und überblickte den recht überschaubaren See. Und tatsächlich zeigten sich in einer kleinen Bucht. Perfekt, jetzt hatte ich einen guten Anhaltspunkt für den nächsten Tag!
Voll verschlafen
Um pünktlich zur erlaubten Angelzeit am See anzukommen, habe ich mir den Wecker auf vier Uhr gestellt. Da die vorherigen Tage allerdings ziemlich anstrengend waren, verschlief ich an diesem Tag völlig und kam erst einige Stunden später am See an. Der Wunschplatz war aber zum Glück noch frei und so konnte ich in den nächsten Stunden noch zwei Karpfen dort fangen, darunter einen großen, wunderschön beschuppten Spiegler.
Der Unfall
Begeistert von dem Erfolg, setzte ich mich am nächsten Tag wieder an den Platz vom Vortag und hatte den ersten Fisch, einen urigen Spiegler, bevor ich die zweite Rute legen konnte. Vom Drillen war meine Schlagschnur ziemlich aufgeraut und ich wollte schnell neue im Auto holen. Da der See zu diesem Zeitpunkt einen sehr hohen Wasserstand hatte waren die Ufer überflutet und die umliegenden Wiesen sehr rutschig. Aufgrund meiner Hektik in diesem Moment passte ich nicht auf und rutsche beim Laufen auf dem nassen Gras aus. Ich hätte mir keine schlechtere Stelle für dieses Missgeschick aussuchen können, denn ich flog mit voller Wucht gegen einen der am See aufgestellten Mülleimer. Diese bestehen aus Gitter und sind sehr scharfkantig, sodass ich mir eine ziemlich tiefe Schnittwunde zufügte. Ich lag geschockt und ungläubig auf dem Boden, die Pfütze in der ich gelandet bin war rot gefärbt vom Blut. Die Wunde war nicht gefährlich aber musste genäht werden, das war mir sofort klar. Zum Glück war in diesem Moment ein guter französischer Freund am See, der mir dabei half meine Sachen zusammenzupacken und mich danach zum nächstgelegen Krankenhaus führte – natürlich nicht ohne dass ich vorher noch etwas Futter am Platz hinterließ. Im Krankenhaus musste ich erst einige Stunden im Wartezimmer verbringen und wurde dann genäht. Vernünftig wäre es gewesen danach den Heimweg anzutreten, aber ich wollte weiter angeln und blieb in Frankreich.
Kein Erfolg mit Futterplätzen
Nach dem Aufenthalt im Krankenhaus und einem Zwischenstopp in der Apotheke, war ich erst am nächsten Tag wieder am See. Die Bedingungen hatten sich nicht geändert und ich ging fest davon aus, dass der Platz nach den letzten beiden erfolgreichen Tagen und dem Futtereintrag vom Vortag wieder Fisch bringen würde – es passierte allerdings rein gar nichts. Die Fische schienen sich nicht mehr in dem Areal aufzuhalten und ich probierte es in den nächsten Tagen an anderen Plätzen. Als ich die Fische dann in einem anderen Seeteil fand und fing, setzte ich wieder großes Vertrauen in den Platz und investierte Futter für die folgenden Tage – und wieder ließ der Erfolg schnell nach. Währenddessen zeigten sich Fische in einem anderen Seeteil, wo ich dann schnell eine Rute ablegte und prompt fing. Die Fische schienen immer in Bewegung zu sein und ließen sich nicht mit Futter halten. Um hier wirklich erfolgreich zu sein, musste eine flexiblere Herangehensweise her.
Taktikwechsel
Als mir klar wurde dass Futter zurzeit nicht funktioniert, saß ich jeden Morgen noch früher und mit komplett offenen Ohren und Augen am See, bevor ich mich an irgendeiner Stelle niederließ. Ich ließ mir von den Fischen jedes Mal aufs Neue Zeichen geben und reagierte erst dann – völlig unabhängig von den vermeintlich guten Stellen des Vortags. Verrieten sich dann tatsächlich Fische durch Rollen an der Oberfläche, beangelte ich sie dort mit wenig Futter. Mit drei, vier Händen meiner Holli Rhône Liver Boilies machte ich die besten Erfahrungen. Nach dem Taktikwechsel wurden meine Fänge deutlich konstanter und ich kam langsam an die ganz besonderen Fische des Sees.
Das dicke Ende
Bis zum Ende der Reise blieb ich an diesem See und zog den recht anstrengenden Angelstil durch. Zwischendurch spielte ich mit dem Gedanken das Gewässer zu wechseln und irgendwo entspannt ein paar Tage über Nacht zu angeln, statt jeden Morgen vor Sonnenaufgang vom Wecker geweckt zu werden. Aber ich wollte unbedingt noch einen der ganz großen Fische des Gewässers fangen, blieb am Ball und wurde tatsächlich am letzten Tag der Reise belohnt. Nachdem ich am Vorabend schon einen unglaublichen Zeiler fangen konnte, fing ich kurz vor der Heimfahrt einen der Topfische des Sees und damit einen neuen PB. Der perfekte Abschluss dieser erfolgreichen und vor allem sehr lehrreichen Tour!
Dran bleiben
Bei dieser Tour habe ich vor allem gelernt, dass es sich lohnt sein Ding durchzuziehen. Da Oft kam ich in Versuchung an ein bequemeres Gewässer zu wechseln, weil die Tagangelei einfach an den Kräften zerrte. Aber ich behielt mein Ziel vor Augen, blieb dran und als der Traum dann schließlich in Erfüllung ging, war das Gefühl unbeschreiblich. Für diese Momente gehe ich angeln!
Viele Grüße vom Wasser,
Philipp Gatzsch