Mir war bereits seit längerer Zeit bekannt, dass es in der Nähe von meinem Wohnort einen kleinen See mit einem dicken Schuppi gibt. Wie schwer, das wusste ich nicht genau, aber mit etwas Glück über 30 Kilogramm. Schon seit Jahren gierte ich förmlich nach einer Karte für diesen See, bekam sie aber schlussendlich nie, dabei verbindet mich mit diesem Gewässer so viel. Vor über 15 Jahren, als es dort noch Tageskarten gab, saß ich zum allerersten Mal mit meiner Schwester und meinem Vater an diesem See. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als Papa damals ein, zwei Ballen Grundfutter auf die Pose warf und mit seiner Stipprute ein Rotauge oder Barsch nach dem anderen fing. Für mich war dieses Erlebnis quasi mein Startschuss in die Angelei.
Letzten Winter war es dann soweit. Nach vielen Bemühungen hielt ich endlich eine Karte für dieses Gewässer in der Hand. Meiner Zielfischjagd stand folglich nichts mehr im Wege. Zugegeben, die Information, dass in dem Jahr zuvor ca. 50 Satzkarpfen und 10 Störe besetzt wurden, war nicht die erfreulichste, aber nun gut… noch mehr Ansporn für mich IHN zu fangen. Bevor ich jedoch meine erste Session antrat, machte ich mir nach der Arbeit, mittels Markerrute erst einmal ein komplettes Bild der Strukturen und Tiefen des kleinen Sees. Im Dezember 2018 gings dann für mich das erste Mal los.
Ich angelte ausschließlich mit Singlehookbaits. Ein Scoberry Pop Up vollgesogen mit Goo am Multirig war meine erste Wahl. Um es kurz zu machen, ich konnte direkt 7 Satzer landen was für die erste Session natürlich vollkommen in Ordnung war, aber letztendlich wollte ich natürlich nur diesen einen Fisch fangen und nicht etliche Satzer. Langsam wurde mir bewusst, dass meine Zielfischjagd aufgrund der Umstände wohl doch schwieriger gestalten könnte, als gedacht. Die Frage war daher: „Wie gehe ich am besten vor?“ Kleine Mengen, große Köder (um die Satzkarpfen zu selektieren) und regelmäßig füttern? Erstmal kurze Tagesessions mit Singlehookbaits einlegen? Oder bis Anfang Frühjahr warten, Ihn suchen, hoffentlich finden und fangen? Ich wusste es ehrlich gesagt nicht genau. Erstmal stand jetzt Weihnachten vor der Tür und die Feiertage wurden der Familie gewidmet. Ich hatte die Woche bis Neujahr frei, also musste ich unbedingt noch eine Nacht vor Silvester einschieben. Die Bedingungen waren gar nicht schlecht, milde Temperaturen und ein Tiefdruckgebiet zog für die nächsten Tage auf. Instant ging es für mich los und ich hatte eine genaue Idee bezüglich der Platzwahl, denn von dem anvisierten Platz konnte ich eine Rute in einem tieferen Loch an einer Krautkante auf 6m angeln, genau dort wo ich bei meiner ersten Session schon Fische fing. Die anderen zwei schön flach vors Holz bzw. vor einen überhängenden Baum. Ich fing in der Nacht mal wieder 9 Satzer, 1 Stör und eine Schleie. Auch wieder kein schlechtes Ergebnis, aber von meinem Zielfisch noch weit entfernt. Ich gab mich erstmal dem Winter hin und wartete ab. Richtig los ging es für mich erst wieder mit den ersten zweistelligen Temperaturen. Sobald die Sonne draußen war, lief ich um den See und versuchte mit der Polbrille den großen Schuppenkarpfen zu finden, zunächst ohne Erfolg. Außer eine Nacht im Februar, in der ich wieder einen Satzer und einen Stör fing, hatte ich keine richtige Motivation Nächte zu kloppen oder großartig zu füttern, wobei das Wetter auch nicht passend war. Nach der einen traumhaften Woche im Februar, wo alle wieder glaubten, das wäre der Startschuss fürs Frühjahr, war es das danach auch schon wieder und das Wetter war auf gut Deutsch gesagt fürn Arsch!
Mittlerweile zählen wir schon Mitte März und so langsam kribbelten mir die Finger. Ich wollte den Fisch so gerne noch vor meinem 3 wöchigen Frankreichtrip fangen, um mich danach auf etwas anderes zu konzentrieren, doch es war noch nicht soweit. Ich musste mich gedulden und genau dann loslegen, wenn es soweit ist oder das Zeichen kommt, worauf ich die ganze Zeit warte. Ende März hatten wir dann endlich ein paar echt schöne Tage mit viel Sonne. Das war mein Zeichen. Ich fuhr nach der Arbeit sofort zum See und versuchte meinen Zielfisch zu lokalisieren. Anfangs fand ich mal hier, mal dort ein paar Satzer im Gestrüpp, doch von dem Dicken keine Spur. Die Temperaturen waren mittlerweile täglich zweistellig und das Wasser erwärmte langsam, was mich hoffen ließ, ihn bald zu erblicken. Ich befand mich fast jeden Tag nach der Arbeit im Gestrüpp wieder und versuchte diesen Fisch zu finden. Es war inzwischen Anfang April, mein Plan war jetzt unter der Woche diesen See zu beangeln und am Wochenende mit Nils meinen geliebten Torfstich zu befischen. Es war ein herrliches Wochenenende in Sicht und ich dachte schon darüber nach, Nils für den Torfstich abzusagen, doch wir hatten für das Wochenende eine Nacht geplant und wenn ich einem Kumpel zusage, halte ich auch mein Wort. Somit stand für mich fest, dass ich am Sonntag nach der Session am Torfstich, direkt zum kleinen See fahre und meinen Zielfisch suchen werde.
Am See angekommen schnappte ich mir meinen Kescher und eine Rute bestückt mit einem einzelnen Pop Up. Kurze Zeit später fand ich mich am Ufer in einem Busch wieder. In dieser Ecke standen bestimmt 40 Karpfen, sogar ein paar Bessere zwischen den Satzern…doch den Großen auf den ich es abgesehen hatte, sah ich wieder nicht. Ich versuchte natürlich trotzdem einen zu fangen, aber der Pop up interessierte die Karpfen überhaupt nicht und die Breadbomb wurde auch ignoriert. Sie sonnten sich einfach schön im windstillen Bereich knapp unter der Wasseroberfläche. Also machte ich gegen Mittag einen Strich und wollte Zuhause vorbei fahren, mal eben Duschen gehen und was Essen. Bevor ich das tat, musste ich aber nochmal einen Blick auf der anderen Seite des Sees ins Holz werfen… „irgendwo muss das scheiß Teil doch sein“ dachte ich mir. Ich pirschte mich langsam an das Ufer und kletterte auf eine alte abgestorbenen Weide. Da war er auf einmal! Breit und Lang wie ein riesen U-Boot zog er ganz gemächlich seine Bahnen vor mir und ließ sich die Sonne auf den Rücken scheinen. Ich konnte meinen Augen nicht trauen als ich den Riesen sah. Somit stand für mich fest, endlich die erste Nacht unter der Woche zu machen. Bevor ich nach Hause fuhr verteilte ich noch schnell in der Area eine Hand 14er Scoberrys mit dem Wurfrohr. Nachdem ich zu Hause war und gegessen hatte, befand ich mich mit leichtesten Tackle gegen 18 Uhr wieder am See. Schließlich musste ich am nächsten Morgen früh raus um pünktlich um 7 auf der Arbeit zu sein. Ich verteilte alle meine 3 Ruten bestückt mit einem 14er Scoberry Boilie und darüber einen passend zugeschnibbelten 16er Scoberry Pop up am IQ D-Rig. Letztere lagen schon den ganzen Winter gesoakt im feinsten weißen Goo und Scoberry Baitaktivator. Auf 12,5 ,14 und auf 16 Wraps lagen meine Ruten gestaffelt. Ich hatte ein gutes Gefühl! Ich wusste der Fisch steht dort irgendwo auf dieser Seite und der Großteil aller Satzer in der anderen Ecke des Sees. Der Abend war ruhig und ich ging früh schlafen bis ich erstmals gegen 0 Uhr von einem Satzer auf der mittleren Rute geweckt wurde. Oh man dachte ich mir, vielleicht sollte ich doch jetzt mal wirklich mit steinharten oder großen Boilies anfangen zu angeln ? Schnell die Rutenlängen abgemessen warf ich die Rute auf den Platz und legte mich weiter schlafen. 2 Stunden später meldete sich meine rechte Rute die direkt vorm Holz lag, doch leider war es nur ein Stör. Diesen versorgt und die Rutenlängen gemessen, saß auch diesmal der erste Wurf. Wieder 3 Stunden später meldete sich dieselbe Rute mit nur 2 Piepern. Ich leuchtete meine Ruten an und sah meine Spitze wippen. Also raus aus dem Schlafsack… angeschlagen und einfach stumpf vom Holz weggepumpt, spürte ich nach ein paar Metern, was für ein Gewicht am anderen Ende hängt. Ich hatte es im Gefühl, das ist mein Zielfisch! Und nach gar nicht mal so langen Drill lag er auf einmal vor mir im Kescher. Es war 5 Uhr Morgens und ich war noch nie in meinem Leben so sprachlos. Was ist das Bitte für ein riesen Fisch!? An Schlaf war jetzt überhaupt nicht mehr zu denken. Ich versuchte alle Kumpels aus dem Schlaf zu klingeln, was nicht so wirklich funktionierte um die Uhrzeit.
Ich saß einfach geflashed auf meiner Liege rum und konnte es nicht fassen, meinen Zielfisch gefangen zu haben. Ich wartete bis sich der erste zurück meldete. Es war mein Freund Marco, der im ersten Morgenlicht vorbei kam um Fotos zu machen und den Fisch mit mir zu wiegen. Der Zeiger blieb abzüglich der Wiegeschlinge bei 31,2 Kilogramm stehen!! 30kg+ am Niederrhein. Wir konnten es beide nicht glauben und feierten diesen Moment einfach nur hart ab. Was ein Monster!!!
Ich war überglücklich an diesem Morgen. Alles hat so funktioniert wie geplant, diesen Fisch noch vor meinem Trip mit Rafael zu fangen und am besten noch mit über 30 Kilo. Was ein grandioser Saisonstart!
„Happy Days“ wie die Engländer sagen.
Kai Köttelwesch