Ich bin angekommen…

Es fließt und verändert sich. Die ständige Bewegung der Wassermassen wirkt lebendig. Trotz Kälte zieht es mich noch immer an den Flusslauf. Dunkel ist es längst, wenn ich den Stift im Büro fallen lasse. Der Schein meiner Kopflampe, erscheint mittlerweile wie Tageslicht. Eine verkehrte Welt.

Das Licht fehlt. Wenn ich von der Arbeit komme trügt Dunkelheit die Stimmung.

Die Tage erlebe ich hinter einer großen Scheibe. Wie in einem Terrarium sitze und arbeite ich am Schreibtisch. Tag ein, Tag aus. Doch ich liebe die Freiheit. Das Rauschen der Ferne. Nur am Wasser fühle ich mich frei. Uneingeschränkt. So frei wie ein Vogel, den man nicht einsperren sollte. Doch angeln wäre halb so schön, wenn es nichts Besonderes mehr wäre. Alltag eben. Jede freie Minute verbringe noch immer am Fluss. Jeder Tagtraum zehrt an den Erlebnissen eines Herbstes, den ich vielleicht in dieser Form nie wieder erleben werde. Ob sich mein Aufwand überhaupt lohnt? Das frage ich mich nicht. Ich rechne es nicht aus. Purer Genuss lässt sich in Zahlen doch ohnehin nicht ausdrücken. Wenn es uns gut geht, wir leben und erleben können, was wir lieben und wenn wir die Freiheit in Ruhe ausleben können, werden pure Zahlen doch zur Nebensache. Statussymbole werden unbedeutend, wenn wir uns in unserer Passion verlieren. Was ist schon ein teures Auto, was eine dicke Armbanduhr, wenn unbeschreibliche Augenblicke im Konsens stehen?

Der Genuß der Freiheit lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken...

Wir belächeln solche, die Sonnenuntergänge oder nebeldurchflutete Auenwiesen nur von Postkarten kennen. Wir belächeln jene, die wilde Tiere nur von Facebook- oder Youtubefilmchen kennen. Ja, und wir belächeln solche Menschen, die einfach nicht wissen, was es vor unseren Haustüren für eine tolle Kulisse gibt. Man muss meist nicht weit fahren, um die passende Umgebung zu finden. Nur ein paar wenige Kilometer vielleicht. Frei sein, wie ich es immer so schön formulieren, kann man an jedem Gewässer. Die richtige Atmosphäre finden wir schnell. Denn wir haben in den vielen Stunden am Wasser gelernt, aus dem großen Einheitsbrei, die schönen Momente zu extrahieren. Wir können filtern. Den Alltag ausblenden. Das dumpfe Rauschen der, in der Ferne liegenden Städte, ausblenden. Frei sein. Allein sein. Ich sein.

Frei sein. Allein sein. Ich sein.

Man was haben wir für ein Glück, gefunden zu haben, was wir so sehr lieben. War es früher nur ein Zeitvertreib, ist es längst ein Ausgleich geworden. Ein Kompensator. Eine Ladestation für den Akku, den wir an den Arbeitstagen verbrauchen. Selbst wenn es nur wenige Stunden sind, die wir am Wasser verbringen. Selbst wenn es nur ein Spaziergang ist, vielleicht die Suche nach den Tieren, denen wir nachstellen. Ja, es gleicht unser inneres System ein wenig aus. Abschalten. Runter kommen. Die innere Geschwindigkeit an den Zeiger der Uhr anpassen. Längst überholt uns die Zeit im Alltag wieder. Viel Arbeit. Viel Stress. Hohe Geschwindigkeit.

Die Stunden allein tun gut. Ich genieße jede Minute... Am liebsten allein!

Wie die Wassermassen am Fluss, bewegt sich der Alltag an uns vorbei. Stetig steigt der innere Druck nach Erfolg. Bis irgendwann die Erschöpfung näher tritt. Die Gesellschaft nennt es heute burn out. Burn out? Kenne ich nicht. Ich nenne es Fuck off, wenn mir alles mal wieder über den Kopf wächst. Sich Aggressionen breit machen und mein Fass sich langsam aber sicher einem Überkochen nähert. Dann platzt die Bombe. Ich explodiere und lasse den Frust heraus. Die angestauten Emotionen strömen aus meinem Mund heraus und ich merke, dass der letzte Ausflug ans Wasser schon ein paar Tage her ist. Es wird Zeit für mich. Es wird Zeit mal wieder eine Flucht zu wagen. Entkommen. Migrieren. Einfach von der Bildfläche verschwinden, um den inneren Akku zu füllen.

Fuck off - Die Freiheit ruft!

Als ich diese Zeilen schreibe, stehen meine Ruten wenige Meter vor mir. Mehr als 12 Stunden keine Aktion und der letzte Erfolg liegt schon zwei Wochen zurück. Doch was sich bei mir in den letzten Wochen, Monaten abgespielt hat, gleich einer Ausnahmesituation. Einer Glückspur auf ganzer Linie. Ich bin verwöhnt. Spinne herum und sage mittlerweile, dass ich an mittelschweren Depressionen erleide, wenn sich meine Rute für ein paar Nächte nicht mehr im Halbkreis biegen. Es ist schier unglaublich, was ich in den letzten Monaten erlebte.

Zeitzeuge meines Erfolges!

Fische über 15 kg. Fische über 20kg. Fische über 25kg. Der Höhepunkt und zeitgleich das Ende meiner Saison 2014 war ein absoluter deutscher Ausnahmefisch mit fast 30 kg. Ob ich das noch einmal erleben darf? Ich weiss es nicht. Was ich aber sagen kann ist, dass ich Jahre gebraucht habe, um mich in meiner eigenen Angelei angekommen zu fühlen. Ich weiss wieder warum ich angeln gehe. Ich mache das alles, weil es mir Spass macht. Weil mich die Kulisse beeindruckt. Weil das Element Wasser so geheimnisvoll ist. Unantastbar und sich stetiger Veränderung obliegt. Ich gehe angeln, weil sich der Erfolg so unfassbar gut anfühlt. Es fühlt sich geil an, wenn ein Plan und eine Taktik erfolgreich ist und funktioniert. Es fühlt sich geil an Futter ins Wasser zu werfen und zu sehen, dass es funktioniert. Dass die Konditionierung Früchte trägt!

Es fühlt sich geil an! Es riecht gut. Es schmeckt gut und es tut scheinbar auch gut. Nasty Shrimp!!

Als ich den letzten Fisch meiner diesjährigen Flusssaison über die Maschen meines Keschers zog, die Wiegeschlinge in den Haken meiner Waage einhing und darauf wartete, dass sich der Zeiger auspendelte, war die Zeit mal wieder stehen geblieben. Gezwungen blendete ich aus, was um mich herum passierte. Ich nutzte den nachfolgenden Moment, um mich kurz auf einen Stein am Ufer zu setzen und die Gefühle dieses einzigartigen Momentes zu geniessen. Kurze Zeit später musste ich mein Glück aber mit meinen Freunden teilen. Wer schlief wurde wach gemacht. Das ist doch auch etwas an unserem Hobby, was so großartig ist. Irgendwelche Jungs, werden zu Freunden. Sie fühlen mit und freuen sich mit dir. Egal wo. Egal wann. Egal wie. Wer Karpfen angelt, gehört schnell zu einer Gemeinschaft, deren Passion eine gemeinsame ist.

Und jetzt muss ich twelve ft. Ausgabe 4 finalisieren, damit ihr vor dem Weihnachtsfest noch 200 Seiten pure Leidenschaft lesen könnt. Ich freue mich drauf!

PEACE!

Felix Kaczmarek
twelve ft. Carpfishingmagazine

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